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Cinque Terre: Diese kleine Ferienwohnung in Manarola bietet ein atemberaubendes Panorama
„Eigentlich wollte Luca nur eine Box“, sagt Marco Parmeggiani. Nichts Schwerfälliges, „einfach eine Kiste in diesem alten Fischerhaus mit dem atemberaubenden Blick.“ Den Wunsch nahm der Architekt ernst, doch was er daraus machte, ist keine Schuhschachtel, sondern ein Schatzkästchen, das direkt vom Grund der See stammen könnte, die sich in vielfältigen Tönen direkt unter den hohen Fenstern ausbreitet. Wir befinden uns in Manarola, dem geografischen wie historischen Zentrum der Cinque Terre, mitten in einem pittoresken Postkartenmotiv aus zitronengelben, rostroten, blassblauen, pastellgrünen Häusern, die zum Teil geradezu halsbrecherisch auf den steil aufragenden Fels gestapelt wirken.
Ein so perfektes, so idealtypisches (und natürlich Unesco-gelistetes) Bild von Italien, dass man beinahe von Kitsch sprechen könnte. Bloß: Da kennt man Marco Parmeggiani schlecht. Und seinen Auftraggeber ebenfalls. Der Mann in der Box ist Luca Preti, Galerist aus Mailand und ein profunder Designexperte, der mit den Klassikern seines Landes so versiert umgeht wie kaum einer. Wenn diese beiden sich also das „Haus eines Fischers“ ausmalen, kann man sicher sein, dass sich ihr Bild nicht aus alten Fischernetzen unter der Decke, verbeulten Laternen und einem Plastikhummer im Eck zusammensetzt.
Ferientraum in Italien: Manarola, inmitten der Cinque Terre
Manarola, im Herzen der Cinque Terre: Der Blick aus den Fenstern des orangenen Kubus ganz oben auf der Klippe ist unbezahlbar.
Serena Eller / Vega MG
Das Panorama rahmte Architekt Marco Parmeggiani mit ausgewählten Stücken wie dem seegrünen Murano-Lüster und der Jugendstil-Etagere von Josef Hoffmann.
Serena Eller / Vega MG
Ferienwohnung mit Aussicht: Architekt Marco Parmeggiani inszenierte einen Guckkasten aufs Meer
„Hier“, und das sagt Parmeggiani im Verlauf des Gesprächs wohl drei-, viermal, „spielt die See die Hauptrolle.“ Was ihn allerdings nicht davon abhielt, auch drinnen ein paar Nebenrollen mit echten Starqualitäten einzuplanen. Vom Meer schaute er sich zunächst eine berauschende Farbpalette aus Blau-, Türkis- und Grüntönen ab – buchstäblich: Die Fischer von Manarola schüttelten bloß ratlos die Köpfe, als sie den Mann mit dem Farbfächer in der Hand in ihrem Hafen auf- und abgehen sahen. Die Farben der See prägen den Raum vom graugrün gestrichenen Boden bis hinauf zum Lüster aus Muranoglas in wässrigem Aquamarin, der aus Pretis Galerie stammt, aber ebenso gut ein Fund vom Meeresboden sein könnte. Selbst für den Fernseher an der nachtgrauen Wand dachte sich Parmeggiani etwas aus: Er ließ das sanft bewegte Wellenspiel samt Rauschen ein paar Stockwerke tiefer abfilmen und verwandelte den Screen so in eine Art drittes Fenster. Ein kubistisches Objekt in sattem Türkis verhüllt in der Ecke die Klimaanlage; unten integrierte Parmeggiani ein mit Vasen von Gaetano Pesce bestücktes Regalfach, das Bord darüber entpuppt sich auf den zweiten Blick als optische Täuschung, inspiriert von den Trompe-l'œil-Malereien, die in Ligurien unzählige Hauswände zieren.
Diese Konsistenz sei nötig, sagt er, um aus der Box – tatsächlich hat das Apartment nur ein einziges Zimmer – wirklich eine Einheit zu machen, während die geometrischen Formen und fein aufeinander abgestimmten Töne den Raum zugleich in Zonen gliedern und viel größer wirken lassen, als er tatsächlich ist. Umso schneller ist da das funktionale Programm erklärt: in einer Ecke ein maßgefertigtes Bett, das auch als Couch dient, in der anderen ein Essplatz mit Saarinen-Tisch, in einer Nische eine kleine Küchenzeile, dazu ein winziges Entree in Yves Klein-Ultramarin und hinter einer Rauchglastür ein angeschlossenes Bad.
Das Farbenspiel der Fischerboote im Hafen des Küstenstädtchens Manarola inspirierte Parmeggiani zu intensiven Tönen wie dem satten Blau im Entree.
Serena Eller / Vega MG
Italienische Designstars bevölkern das kleine Apartment
Die ästhetische Quellenliste dagegen ist lang und klangvoll: Gio Ponti, Anna Castelli Ferrieri, Ettore Sottsass, Piero Fornasetti, Michele De Lucchi, Josef Hoffmann – das ist der Besetzungsplan in diesem Kammerspiel, in dem Parmeggiani und Preti einträchtig Regie führten. Die beiden sind schon lange befreundet, und Marco Parmeggiani hatte bereits das Mailänder Apartment des Galeristen ausgebaut. „So zu arbeiten, mit jemandem, der die feine Balance und das Zusammenspiel aller Akteure in einem Raumensemble wirklich versteht, ist wunderbar“, meint der Architekt. Preti ist einer, der das austarierte Gleichgewicht erhalten wird, auch über die nächsten Jahre hinweg. Denn in der Tat ist in diesem kleinen Ökosystem kein Ding zu viel und keins zu wenig, weder Farbe noch Form noch die versammelten Designklassiker. Sottsass’ „Specchi di Dioniso“ zum Beispiel, jene Spiegelserie, mit der Parmeggiani die Wände ringsum bestückte und deren bunte Farbkompositionen wie für diesen Ort gemacht scheinen. Gemeinsam mit einem schmalen und deckenhohen Spiegel aus gefärbten Gläsern, den Parmeggiani selbst entwarf, holen sie das Seepanorama wie Bullaugen ins Innere, in den Schiffsbauch dieser auf Grund gelaufenen Reminiszenz an ein Fischerboot.
Aus einer taubenblauen Nische am Kopfende des Bettes bittet eine Fornasetti-Lina dezent um Ruhe; „Ich mag es“, erklärt Parmeggiani, „wenn solche vermeintlichen Klischees eine kleine Geschichte erzählen und … Sinn ergeben.“ Ein knappes Jahr dauerte es, bis so aus einer verlebten und verbauten 80er-Jahre-Ferienwohnung ein bis ins Detail durchdachtes und doch spielerisch leicht wirkendes Retreat wurde; ein Jahr, in dem ausnahmsweise die Touristenströme ausblieben und Parmeggiani in aller Ruhe arbeiten konnte. Ob ihm denn so eine kleine Kiste leichter falle als die teils ungleich größeren Projekte, an denen der Architekt ansonsten arbeitet? Parmeggiani überlegt kurz und verneint dann. „Da halte ich es mit Gio Ponti“, meint er. „Ob Kaffeelöffel oder Hochhaus, die Prinzipien sind die gleichen, und richtig gemacht ist eins so aufregend wie das andere.“
Pittoresker als hier in Manarola geht es in Italien kaum irgendwo zu.
Serena Eller / Vega MG
Inspiration für die Farbenpracht in dem kleinen Apartment: die Fischerboote im Hafen von Manarola.
Serena Eller / Vega MG